Erlösung in der Windel

 

Weihnachten riecht nach Alltag. Das ist kein Grund zum Naserümpfen.


Mütter und Väter erzählen gern Geschichten von Windelunfällen. Als ich noch keine Kinder hatte, fand ich das immer abschreckend. Später als Vater konnte mich so etwas nicht mehr schocken. Und jetzt würde ich mich geradezu freuen, bei Enkelkindern dies tun zu dürfen. Im Nachhinein verstehe ich nicht, was daran so
besonders erwähnenswert sein soll.


Schon kurz nach der Geburt hat ein Mensch die erste Windel an. Ab jetzt heißt es für die Eltern etwa zwei Jahre oder länger wickeln. Jeden Tag, manchmal auch nachts. Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen den Appetit verderbe, aber so ist es: Die
Ausscheidungen des Kindes gehören genauso dazu, wie das süße Lächeln und das
Glücksgefühl, ein schlafendes Baby im Arm zu halten.


Der Gedanke an die Windel ist nicht unbedingt festlich, das gebe ich zu. Aber er ist wahnsinnig weihnachtlich. Gott hat gerade diese Windel als Zeichen verwendet. In der Bibel sagen die Engel zu den Hirten auf dem Feld:

„Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln

gewickelt und in einer Krippe liegen.“ (Lk 2,12)


Jesus, der Erlöser kommt als Baby zur Welt. Zu erkennen ist er ausgerechnet an alltäglichen Dingen: Der Windel und der Futterkrippe. Ein Weihnachtslied behauptet „in reinlichen Windeln das liebliche Kind“. Spätestens nach einem Tag
wird das zumindest zeitweise nicht mehr stimmen. 

 

Windel und Krippe: Zeitlose Zeichen 

Ich gebe zu: Es wirkt absurd, dass Gottes Sohn gerade an so etwas Alltäglichem wie der Windel oder der Futterkrippe zu erkennen ist. Aber genau das ist ja das Wunder. Diese Zeichen funktionieren − sogar heute noch.
Ein Beispiel: Mit Weihnachtsfiguren aus Holz gehe ich vor Weihnachten in die Kindergärten. Bei der einen oder anderen Figur müssen die Kinder überlegen, wer das den ist:

ein Hirte oder Josef?

Maria oder eine andere Frau?

Und die Kinder? Gehören die zu den Hirten?

Nur beim Jesuskind gibt es keine Fragen.

Das Stück Mullwickel um den kleinen Körper wurde gleich als Windel erkannt. Selbst für kleine Kinder ist sofort klar: Das ist das Jesuskind.

 

Kinderleicht zu verstehen, so sollen Gottes Zeichen auch sein. Für ungebildete Hirten und kleine Kinder nachvollziehbar. Kinderleicht zu verstehen, so sollen Gottes Zeichen auch sein. Für ungebildete Hirten und kleine Kinder nachvollziehbar. Ich hätte Jesus so gerne einen hübschen Strampler angezogen oder einen Schneeanzug. Ich hätte ihm so sehr eine Wiege oder einen Stubenwagen gegönnt. Aber dann wäre niemand auf die Idee gekommen, dass es Jesus ist.


Das schönste Weihnachten

Im Umkehrschluss bedeutet das: Ich muss nicht erst Gold oder Glitzer dran kleben, bevor Jesus was Besonderes wird. Er ist der Erlöser. Er ist Gottes Sohn. In Windeln. Wie jedes andere Kind. In einem Futtertrog, auf einer Höhe mit dem Tierfutter. Wahrscheinlich hat er nicht nach Zimt und Tannenbaum gerochen, sondern nach Stall und Windeln. Nach Alltag. Und genau da gehört Jesus hin. In mein Leben. Das ist kein Grund zum Naserümpfen. Das ist das schönste
Weihnachten, das ich mir vorstellen kann. Gott wird Mensch. Sein göttliches Wesen nimmt menschliches Wesen an. Tatsächlich weist uns die Windel auf Wesentliches hin. Im christlichen Alltag darf sich unser Glaube an den menschgewordenen Gott bewähren. Das ist nicht immer einfach. Oft verlieren wir das Wesentliche aus den Augen und verlieren uns in unseren Aufgaben und Verpflichtungen, aber

auch in unseren Vergnügungen. An einer Person im NT möchte ich noch zeigen,
wie schnell einem das Wesentliche durch die Finger rieseln kann. Diese Person ist der Adressat eines Briefes, aus dem unser heutiger Predigttext vorgeschlagen ist. Sein Name ist Titus, Schüler von Paulus. Der Apostel hat ihm wufgetragen, eine besonders schwierige Gemeinde zu leiten, die Christengemeinde auf Kreta. Mit Kreta verbinden wir eher Urlaub. Für Paulus und Titus jedoch klingt Kreta nach
Arbeit, Ärger, Anfechtung. Drunter und drüber ging es da zu. Da es noch
keine Evangelien gab, wurden unter den Christen viele Geschichten und Geschichtchen erzählt, Legenden, Geschwätz, die das Evangelium verdecken und entstellen. Jeder macht, was er will: die Älteren sind keine Vorbilder, die Jungen
kennen kein Maß. Da es offenbar keine Regeln des Zusammenlebens gibt, machen sich die Christen auch gegenüber dem Staat verdächtig.

 

Paulus ermutigt daher seinen tapferen Schüler: Titus! Sorge dafür, dass es geeignete Christen in der Gemeindeleitung gibt. Bilde sie aus, befähige
sie. Eine gute und fähige Leitung wird mit einer klaren und unverfälschten christliche Lehre die Irrlehren verdrängen. Achte darauf, dass alle Christen mit ihrer Lebensführung ein Vorbild sind. Du selber geh mit gutem Beispiel voran.
Bemühe dich, dass die Christen liebevoll und freundlich miteinander umgehen, mit ganzem Herzen für Christus leben und die Gesetze des Staates befolgen.
In seinen Arbeitsaufträgen an den armen Titus scheint Paulus sich in viele Details zu verlieren. Doch dann taucht mitten in diesen vielen Einzelheiten eine Textpassage auf, die so wesentlich ist, dass sie in die weihnachtlichen
Textlesungen der Kirche aufgenommen wurde:


4 Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, 5 machte er uns selig – nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, 6 den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, 7 damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben seien nach der Hoffnung auf ewiges Leben. 

Titus 3, 4-7


Ich fasse zusammen: Rechtfertigung aus Gnade. Glauben wir an Christus, bewirkt der Heilige Geist in uns die Bekehrung und eine Wiedergeburt. Wir leben von nun an aus der Quelle des Heiligen Geistes. Dies nennt die Bibel Heiligung.
Befreites Leben in der Hoffnung auf das ewige Leben. Wir sind Erben des himmlischen Lebens. Darauf können wir vertrauen (Luther: „Das ist
gewisslich wahr“). Erben: Das passt wieder zu der biblischen Rede, dass wir wie Kinder werden dürfen, was das Vertrauen zu Gott betrifft. Als Kinder Gottes
sind wir Erben des himmlischen Lebens. Und da fallen mir wieder die Windeln des Anfangs ein. So hat ja Gottes Geschichte als Mensch angefangen. Der Sohn des himmlischen Vaters, empfangen durch den Heiligen Geist (Credo -  alle drei zusammen, die Trinität: denn das Gottes Wirken erkennen wir immer nur als Tun des dreieinigen Gottes) wird von den Hirten erkannt an den Windeln und an der Krippe. Erlösung in der Windel. Wenn wir Gottes Methoden, seine Wege vergleichen mit dem, was wir so für wichtig, begehrenswert und prächtig

halten, dann kommen wir ganz schön ins Nachdenken, ins Schmunzeln, ins Staunen. 

Gott ist wirklich für eine Überraschung gut. Er ist sich nicht zu schade, uns ganz menschlich zu erlösen, Er, der doch rein und gut ist und uns rein und gut machen will, wenn wir denn glauben.


Amen!

 

eine Predigt von Pfr. Joachim Grubert

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